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Finanzdienstleister, Fachgruppe

Praxistaugliche Regelung bei Neuvergabe von Wohnbaukrediten nötig

Wer derzeit um einen Wohnbaukredit ansucht, bekommt oftmals nur Absagen. Der Grund dafür ist neben den stark gestiegen Inflation auch die KIM-Verordnung. Ein Instrument der Finanzmarktaufsicht, das eigentlich systemische Risiken im Bankensektor begrenzen sollte, inzwischen aber dafür sorgt, dass sich viele einen Wohnbaukredit nicht mehr leisten können. Der Arbeitskreis Recht der Fachgruppe Finanzdienstleister Steiermark analysiert die Problemfelder der Verordnung.

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25.03.2024

Die Verdoppelung der Immobilienpreise – speziell im urbanen Raum – innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist Fakt. „Die Ursache dafür ist unserer Meinung nach jedoch nicht ausschließlich in der stark gestiegenen Nachfrage nach der selbstgenutzten privaten Wohnimmobilie zu suchen, sondern im Umstand, dass Immobilien von institutionellen wie privaten Anlegern im niedrigen Zinsumfeld vielfach als sichere und ertragreiche Investition gesehen wurden“, betont Johannes Tratz, Sprecher des AK Recht. „Die Idee, die systemischen Risiken mittels KIM-Verordnung zu begrenzen, ist zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem die Voraussetzungen gänzlich andere waren“, betont Tratz.

Aktuelle Situation:

  • Höchste Inflation in Österreich seit 50 Jahren (September 2022: 10,5 Prozent)
  • Zinserhöhungen seit Jänner bei Euribor um zwei Prozent, bei Fixzinsen sogar um drei Prozent – mehrfache Anhebung des Leitzinses durch EZB, aktuell auf 2,00 Prozent [1]
  • Stark gestiegene, teilweise unkalkulierbare Baukosten
  • Enorm gestiegene Fixkosten durch hohe Energiekosten
  • Düstere Wirtschaftsprognose

Alleine aufgrund dieser Umstände ist die Nachfrage nach Immobilien schon seit dem ersten Halbjahr 2022 stark gesunken. „Uns geht es nicht darum, jedem Kunden seinen Wunsch nach der eigenen Wohnung zu erfüllen, sondern eine praxistaugliche Regelung bei der Neuvergabe von Wohnbaukrediten zu finden“, betont Tratz.

Veränderte Vergabestandards bei Wohnbaukrediten seit August 2022 (KIM-VO):

  • maximale Beleihungsquote (Summe der gesamten Immobilienfremdfinanzierungen im Verhältnis zum Besicherungswert der besicherten Immobilien) von 90 Prozent
  • daraus ergibt sich in der Praxis eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent
  • Schuldendienstquote (gemessen am Einkommen der Kreditnehmer:innen) von maximal 40 Prozent 
  • maximale Laufzeit von 35 Jahren

20 Prozent Eigenkapitalquote ist zu hoch

Die bisherigen Erfahrungen seit der Umsetzung der KIM-Verordnung mit 1. August 2022 zeigen, dass die Banken nunmehr Kreditanfragen ablehnen, die im Frühjahr noch bewilligt wurden. „Wohnen ist und bleibt aber ein Grundbedürfnis“, betont Tratz. Vor allem junge, gut ausgebildete Familien mit zwischenzeitig kleineren Einkommen, wenn es etwa wegen Karenz nur einen Hauptverdiener gibt, werden nun systematisch benachteiligt, wollen sie mit Hilfe eines Kredits eine Immobilie für den Eigenbedarf finanzieren. „Die 20 Prozent Eigenkapitalquote ist bei den aktuellen Immobilienpreisen besonders für junge Familien zu hoch“, sagt Finanzexperte Tratz. Der Traum von den eigenen vier Wänden – egal ob Wohnung oder Haus – ist somit geplatzt.

Verweigerte Kredite als gesamtgesellschaftliches Problem

Tratz sieht in dieser Entwicklung ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Wenn junge Menschen weiterhin in Mietverhältnisse gezwungen werden, profitieren davon gerade jene Immobilieninvestoren, die von vielen kritisch gesehen werden – Stichwort ,Miethaie‘“. Aus diesem Gesichtspunkt ist eine Lockerung der KIM-Verordnung auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Weiterer Kritikpunkt: Zwischenfinanzierung nicht möglich

Ein weiterer Kritikpunkt ist für Finanzexperte Johannes Tratz die Unmöglichkeit einer Zwischenfinanzierung. Eine bestehende Wohnung, die verkauft werden soll, weil sich eine junge Familie mit Nachwuchs vergrößern muss, kann nicht mehr als Eigenkapital für die Finanzierung einer größeren Immobilie angesetzt werden. Begründung hierfür seitens der FMA: verringerte systemische Risiken im Bankensektor. „Das bedeutet, dass die Wohnung zuerst verkauft werden muss, da das Eigenkapital für die Finanzierung liquid vorhanden sein muss. Ergo muss die Familie für eine Übergangsphase eine Wohnung mieten und kann erst dann in die eigenen vier Wände ziehen“, kritisiert Tratz die aktuelle Situation. „In diesen Fällen, die aus unserer Erfahrung als unabhängige Finanzexperten rund 30 Prozent aller Kreditanfragen betreffen, bestehen absolut keine systemischen Risiken, jedoch kommen weitere unnötige Kosten wie Miete und Kaution auf diese Personengruppe zu.“ Auch das Ausnahmekontingent ist bei weitem nicht ausreichend, die Regelung absolut praxisfremd.

Forderung der Finanzdienstleister nach Lockerungen

„Daher unterstützt die Fachgruppe Finanzdienstleister Steiermark die Anregungen von Bundesfinanzminister Magnus zu einer Lockerung und einer Neubeurteilung der KIM-Verordnung“, betont Markus Kohlmeier, Obmann der steirischen Finanzdienstleister.


[1] Aktuelle Anhebung um 0,75 Prozentpunkt auf 2,00 Prozent (Stand 27. Oktober 2022)