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EU-Lieferkettengesetz

Betriebe werden voraussichtlich in fünf Jahren zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet. Wer vom EU-Lieferkettengesetz betroffen sein wird, steht aber noch nicht endgültig fest. Die Eckpunkte hat die WKNÖ Sparte Handel aber bereits zusammengefasst.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 22.09.2023
Der Entwurf der „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ oder auch „Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie“ ist überwiegend unter dem Schlagwort „EU-Lieferkettengesetz“ bekannt.
Dabei geht es um die Verantwortlichkeit von Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechts-, Öko- und Umweltstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Richtlinie dient unter anderem der europäischen Vereinheitlichung von bereits bestehenden nationalen Regelungen.

Praxistaugliche Lösungen

Die österreichische Wirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem, verantwortungsvollem und zukunftsfähigem Wirtschaften. Allerdings muss jegliche gesetzliche Regelung mit Augenmaß erfolgen. Die Anforderungen an Unternehmen sollten klar, überschaubar und verhältnismäßig sein. Die Wirtschaftskammer setzt sich für eine praxistaugliche Lösung ein, die gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft, Rechtssicherheit für Unternehmen bietet, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht und die EU als wirtschaftsfreundlichen Standort auch in der Zukunft sichert.

Verhandlungen bis Mitte 2024

Wer vom EU-Lieferkettengesetz überhaupt betroffen sein wird, ab wann es gelten wird und was im Detail zu beachten sein wird, steht derzeit noch nicht endgültig fest. Bereits im Februar 2022 legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag zu einem EU-Lieferkettengesetz vor, der Rat der Europäischen Union beschloss im Dezember 2022 seine davon abweichende allgemeine Ausrichtung und mit 1. Juni 2023 stimmte das Europäische Parlament über seine Grundsatzposition zum EU-Lieferkettengesetz ab. Aktuell finden die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament statt. Nach einer Einigung, die vor den Europawahlen im Juni 2024 absehbar ist, wird die Richtlinie voraussichtlich innerhalb von zwei Jahren in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen sein. Zwischen Umsetzung und Anwendbarkeit wird eine Übergangsfrist angedacht, die nach Unternehmensgröße abgestuft werden könnte. Es ist daher ein Zeitfenster von drei bis fünf Jahren zu erwarten, bis Unternehmen die neuen Verpflichtungen einhalten müssen. 

Was konkret geplant ist

Das EU-Lieferkettengesetz sieht etwa für größere Unternehmen die Verpflichtung vor, negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Menschenrechte und die Umwelt zu identifizieren und gegebenenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzuschwächen. Dazu gehören Aspekte wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und der Verlust der Artenvielfalt. Sie sollen die Auswirkungen ihrer Wertschöpfungspartner entlang der gesamten vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette überwachen und bewerten, einschließlich Rohstofflieferanten, Entwicklung und Produktion, Verkauf, Vertrieb, Transport, Lagerung und Abfallbewirtschaftung. Die Wertschöpfungskette soll sowohl Produkte als auch Dienstleistungen umfassen. Um diese Sorgfaltspflicht erfüllen zu können, muss es zu einem festen Bestandteil der Unternehmenspolitik der betroffenen Unternehmen werden, potentielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln, abzustellen, abzuschwächen oder zu verhindern und dies im Controlling und in der Berichterstattung zu verankern. Die Etablierung eines bzw. die Adaptierung des bestehenden Risikomanagementsystems wird hierfür notwendig sein.

Verhältnismäßige Strafen

Vom nationalen Gesetzgeber sollen wirksame aber verhältnismäßige Verwaltungsstrafen festgesetzt werden, welche die Einhaltung des EU-Lieferkettengesetzes gewährleisten sollen. Ebenso angedacht ist eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen gegenüber Personen, die wegen der Nicht-Einhaltung der Sorgfaltspflichten des EU-Lieferkettengesetzes geschädigt wurden.

Indirekte Betroffenheit für KMU

Nach dem derzeitigen Stand soll das EU-Lieferkettengesetz zwar auf Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro anwendbar sein. Es ist jedoch zu erwarten, dass die vom EU-Lieferkettengesetz direkt betroffenen Unternehmen ihre Verpflichtungen vertraglich an ihre Lieferanten weiterreichen werden. Die Einhaltung der Vorschriften des EU-Lieferkettengesetzes würden dann indirekt auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) treffen, was Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftsstandort haben könnte. 
Derzeit wird darüber verhandelt, dass die Europäische Kommission Leitlinien verfassen und ein digitales Portal für einen freien Zugriff der Unternehmen auf Vorlagen und Informationen errichten soll. Dies ist grundsätzlich im Sinne einer Erleichterung der Umsetzung und im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen. Aufgrund der zahlreichen Initiativen im Bereich unternehmerischer Nachhaltigkeit sind Doppel- und Überregulierungen zu befürchten. 
Eine Harmonisierung der Initiativen auf EU-Ebene mit existierenden internationalen Rahmenwerken wäre in Hinblick auf die Rechtssicherheit sinnvoll. Dafür setzt sich die Wirtschaftskammer ein. Auch wenn es als gesichert gilt, dass das EU-Lieferkettengesetz kommen wird, bleibt das Ergebnis der derzeit noch laufenden Verhandlungen und damit die konkreten Verpflichtungen für die betroffenen Unternehmen abzuwarten.