.
© AdobeStock

Blick über die Grenzen birgt neue Chancen

CETA. Mercosur: Handels-abkommen werden im Vorfeld manchmal höchst kontrovers diskutiert. Fakt ist aber: Sie sind Garant für Wohlstand und Schlüssel zu mehr Arbeitsplätzen. Sie nützen Konsumenten und Betrieben, helfen, Resilienz aufzubauen und Lieferketten zu sichern.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Kanada ist für die Produktion von Windenergie einfach prädestiniert. Vor allem an der Ostküste, wo wir aktiv sind,“ weiß Frank Dumeier, CEO der WEB Windenergie AG. Das Energieunternehmen mit Sitz im Waldviertel nutzt die Kraft von Wind und Sonne und produziert daraus in sieben Ländern auf zwei Kontinenten sauberen, regionalen Ökostrom. 2014 nahm WEB die ersten Windräder in Kanada in Betrieb – in der Provinz Nova Scotia. Dort befindet sich auch ein Büro mit mittlerweile 17 Mitarbeiter:innen.

.
© WEB Windenergie AG Von Handelsabkommen profitieren viele Branchen. Im Bild: Saint Rose, ein kanadischer Windpark der WEB Windenergie AG.

„Wir exportieren keine Produkte im klassischen Sinne, sondern unser Know-how zur Erzeugung von Erneuerbarer Energie. Dies machen wir mit regionalen Entwicklerteams in allen Ländern, in denen wir tätig sind. Das Handelsabkommen CETA hat vor allem für unsere Lieferanten aus dem EU-Raum viele Vorteile und Erleichterungen gebracht“, betont Dumeier.
Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen, kurz CETA,  handelten die EU und Kanada von 2007 bis 2014 aus – mit dem Ziel, Zölle zu beseitigen, Dienstleistungsmärkte zu öffnen, Investoren verlässliche Bedingungen zu bieten und das geistige Eigentum stärker zu schützen. Vorläufig in Kraft ist das Abkommen seit 2017 – Österreich hat es 2018 ratifiziert.


Warum (Nieder)Österreich Handelsabkommen braucht

  • Verbesserter Zugang zu Drittmärkten für Waren durch Abbau von ungerechtfertigten technischen Vorschriften (Normen und Standards) und Bürokratie
  • Verbesserter Marktzugang für Dienstleistungen in Drittländer
  • Verbesserter Marktzugang für Investitionen (Niederlassungen) in Drittländern
  • Verbesserter Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Drittländern
  • Vorhersehbarkeit (Reduktion der „Risiko”-Kosten) und Rechtssicherheit für Unternehmen aus Österreich
  • Besondere Berücksichtigung der Interessen von KMU
  • Nachhaltige und ressourcenschonende Wertschöpfungsketten für besseres Klima und saubere Umwelt
  • Zugang zu Rohstoffen und Energie zu fairen Preisen hilft österreichischen Betrieben, wettbewerbsfähig zu bleiben
  • Transparenz der Rechtsvorschriften der Drittländer, z.B. durch die Veröffentlichung oder den Austausch handelsrelevanter Vorschriften
  • Vereinfachungen von Zollverfahren
  • Schutz der geistigen Eigentumsrechte
  • Größere Auswahl an Produkten zu leistbaren Preisen für Konsumenten
    Neue Möglichkeiten für Produktionsprozesse und Dienstleistungen sowie Lieferketten
    Neue Arbeitsplätze – 3 Prozent höhere Exporte bewirken 58.000 Jobs in drei Jahren
    Besseres Leben in Europa und in Drittstaaten

Wichtiger Impulsgeber

Als kleines Land mit über neun Millionen Einwohnern ist Österreich auf den Handel mit anderen Ländern angewiesen“, erklärt Christian Moser, Vizepräsident in der WKNÖ und zuständig für den Bereich Außenhandel. „Märkte müssen offengehalten und die Umsetzung von Regeln garantiert werden – und dazu tragen die Handelsabkommen bei.“ 38 Prozent der exportierenden Unternehmen sind laut WKÖ-Wirtschaftsbarometer der Ansicht, dass eine Forcierung von Handelsabkommen ein wichtiger Impuls für die wirtschaftliche Erholung Österreichs ist. 
Seit dem Markteintritt in Kanada konnte WEB Windenergie bis heute 25 Windräder mit einer Gesamtleistung von über 57 Megawatt errichten. „Voriges Jahr gab es zwei Highlights für uns: Premierminister Justin Trudeau besuchte einen unserer Windparks und wir erhielten den Zuschlag für einen 94 Megawatt starken Windpark. Er wird bei seiner Inbetriebnahme 2025 der bis dato größte Windpark der Unternehmensgeschichte sein“, gibt Dumeier einen Ausblick.

Handelsbilanz stark verbessert

„Die Befürchtungen zu CETA waren faktisch unbegründet. Wir haben unsere Handelsbilanz mit Kanada verbessert, gerade auch im sensiblen Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie“, sagt Moser und nennt konkrete Zahlen: „Die positive Bilanz Export/Import für solche Waren hat sich von plus 2,5 Mio. Euro im Jahr 2016 auf plus 40 Mio. Euro 2022 gesteigert.“ Der österreichische Handelsüberschuss mit Kanada hat sich quasi verdoppelt – von 650 Mio. auf 1,3 Mrd. Euro.

Es gab auch keine Überflutung des heimischen Marktes durch kanadische Agrarprodukte. Der Wert dieser Importe stagniert. So lag er im Jahr 2016 bei 13,2 Mio. Euro, 2022 bei 17,1 Millionen. Allerdings konnten die Exporte im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sogar stark gesteigert werden (2016: 15,7 Mio. Euro, 2022: 57,1 Mio.) – besonders im Bereich von Getränken, alkoholischen Flüssigkeiten, Essig und der Zubereitung von Fleisch, Fisch und Schalentieren.

„Österreichische Unternehmer haben die Chancen des Abkommens genutzt“, weiß Moser und betont: „Diese Möglichkeiten brauchen sie jetzt auch für Mercosur. Denn im südamerikanischen Markt liegt enormes Potenzial.“

Abschaffung von Zöllen

Dieses Potenzial nützen will auch Riviera Pharma & Cosmetics – ein traditionelles KMU aus Tulln. 1923 gegründet, produziert der Familienbetrieb Arzneimittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika. „Wir haben 1950 mit dem Export begonnen. Schrittweise von Deutschland beginnend in Nachbarstaaten und Länder der EU“, erzählt Inhaber Harald Wächter, lehnt sich in seinem Bürosessel zurück und erklärt: „Hier haben wir von den internen Handelsabkommen in der EU profitiert – vor allem durch die Abschaffung von Zöllen und die Vereinfachung von Zulassungsanforderungen."

Im Jahr 2019 hat das NÖ Unternehmen angefangen, Kontakt zu potenziellen Handelspartnern im Mercosur-Raum aufzunehmen. „Unser Fokus liegt hier auf Arzneimitteln und Medizinprodukten. Derzeit beginnen wir mit dem Markteintritt in Brasilien.“ Und hier würde das Mercosur-Handelsabkommen viele Vorteile bringen – vor allem im Hinblick auf Zölle. „Derzeit beträgt der Zoll auf Arzneimittel bis zu 14 Prozent und bei der Einfuhr fallen fünf verschiedene Abgaben an. Hier sprechen wir von einer Minderung des Warenwertes um mindestens 40 bis zu 85 Prozent. Mit dem Abkommen sinken diese Abgaben um 40 bis 100 Prozent“, rechnet Wächter vor. 
Auch bei den Registrierungen im Bereich Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt sieht der Unternehmer Kostenersparnisse. „Eine Produktregistrierung in Brasilien kostet derzeit knapp 3.500 Euro, da nur Produkttests und Analysen von dort ansässigen Instituten anerkannt werden. Durch Mercosur reduzieren sich diese Kosten um bis zu 30 Prozent, da in der EU anerkannte Labors auch in den Mercosur-Staaten anerkannt werden.“ Auch zeitaufwendige Beglaubigungen und Überbeglaubigungen von Übersetzungen würden entfallen. „Mercosur ist eine Chance, vor allem für KMU. Ich hoffe, die Politik erkennt das und entscheidet dementsprechend.“


  • Die EU hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten 46 Handelsabkommen mit 78 Drittstaaten abgeschlossen und umgesetzt.
  • In Verhandlung sind Abkommen mit: Australien, Indonesien und den Philippinen. 
    39,5 Prozent der Wertschöpfung in Österreichs gewerblicher Wirtschaft  werden durch Export erwirtschaftet. Indirekt profitieren auch Zulieferbetriebe.
  • 4,8 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich werden durch Exportunternehmen gesichert.
  • In den 20 Jahren zwischen 1989 und 2019 gab es 375.000 zusätzliche Arbeitsplätze und 21,1 Prozent-Punkte zusätzliches BIP-Wachstum aufgrund verstärkter Wirtschaftsintegration und Handelsabkommen in Österreich.