V.l.: WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker, WKNÖ-Direktor-Stellvertreterin Alexandra Höfer und Helmut Dornmayer, Projektleiter der Studie beim Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft
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WKNÖ: Aktuelle Studie zeigt gestiegene Anforderungen in Lehrberufen

WKNÖ-Präsident Ecker: Inhaltliche Anforderungen aufgrund neuer Technologien, Methoden und Verfahren in den letzten 10 Jahren gestiegen. Aktuell steigende Lehrlingszahlen bestätigen Attraktivität der Lehre.

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Aktualisiert am 13.03.2023

Die zunehmende Digitalisierung der Lehrberufe verändert nicht nur die Anforderungen an Lehrberufe, die Digitalisierung bewirkt auch eine neue Bewertung der vorhandenen Kompetenzen von Jugendlichen. Was bedeutet das für die Gegenwart und Zukunft der Lehrausbildung in Österreich? Bringen die aktuellen Lehrstellensuchenden zunehmend herausforderndere oder sogar unzureichende Einstiegsvoraussetzungen für die modernen Lehrberufe mit sich? Um Antworten darauf zu erhalten, hat das ibw – Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft – im Auftrag der Wirtschaftskammer NÖ (WKNÖ) eine Studie durchgeführt. Befragt wurden 541 Lehrbetriebe und Ausbildungsstandorte in Niederösterreich.

„Für 69,8 Prozent der befragten Lehrbetriebe sind die inhaltlichen Anforderungen an neue Lehrlinge stark bzw. etwas gestiegen, aber nicht zu hoch. Wenn es seitens der Lehrbetriebe Unzufriedenheiten mit den Qualifikationen der Lehranfänger gibt, dann in den Bereichen Soft Skills, Effizienz, Motivation und Logik“, fasst Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, die zentralen Ergebnisse zusammen.

Social Skills bei der Auswahl von Lehrlingen dominieren

Nicht schulische Kompetenzen, sondern soziale Fähigkeiten sind für die überwiegende Mehrheit der Lehrlingsbetriebe bei der Lehrlingsauswahl entscheidend. „Für 91,8 Prozent der Befragten sind Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der wichtigste Aspekt bei der Auswahl neuer Lehrlinge. Dicht gefolgt vom persönlichen Interesse am Lehrberuf (89,1 Prozent) sowie Genauigkeit und Sorgfalt für 88,7 Prozent der Lehrbetriebe“, erläutert Helmut Dornmayr, Projektleiter der Studie beim Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft. Sehr große bzw. eher große Probleme bereiten für 68,7 Prozent der ausbildenden Betriebe die Ablenkung der Lehrlinge durch das Handy, was sich auf die Lernbereitschaft auswirkt.

Gefragt nach Vorschlägen zum Verbesserungsbedarf gab es von den befragten Lehrbetrieben unterschiedliche Ideen für den schulischen Bereich, aber auch für außerhalb der Pflichtschule. So sehen viele Betriebe im schulischen Bereich die Möglichkeit, dass die Berufsorientierung weiter ausgebaut und um Berufspraktika für Berufsorientierungslehrer ergänzt wird, oder dass es praktischen Unterricht in Anlehnung an konkrete Lehrberufe geben könnte. Außerhalb der Pflichtschule könnten sich Lehrbetriebe vorstellen, dass die Aus- und Weiterbildung von Lehrlingsausbildnern um zeitgemäße Ausbildungsinhalte ergänzt bzw. Inhalte der Lehrlingsausbildung zeitgemäß, etwa über Apps, vermittelt wird.



Aktuelle Lehrlingszahlen bestätigen Attraktivität der Lehre

„Die Lehre ist ein wesentlicher Baustein im Kampf gegen den Mitarbeitermangel und eröffnet jungen Menschen viele Perspektiven. Daher muss das Potenzial für die Stärkung der Lehre zukünftig besser genutzt werden, um noch mehr Jugendliche von der Lehre zu begeistern“, betont Ecker. Das man auf einen guten Weg sei, zeigen die Lehrlingszahlen vom Oktober 2022. „Mit Stand Ende Oktober sind 5.731 junge Menschen in NÖ im 1. Lehrjahr, das ist ein Anstieg um 9,56 Prozent zum Oktober 2021“, freut sich der Wirtschaftskammer-Präsident. Die meisten Lehrlinge im 1. Lehrjahr gibt es in der Sparte Gewerbe & Handwerk mit 2.579 Lehrlingen, gefolgt vom Handel mit 971 Lehranfängern und von der Sparte Industrie mit 758 jungen Menschen im 1. Lehrjahr. „Insgesamt gibt es damit 17.541 Lehrlinge in Niederösterreich. Erfreulich ist auch, dass die Anzahl der Lehrbetriebe auf 4.518 Unternehmen gestiegen ist“, betont Ecker.

Zahlreiche Maßnahmen der WKNÖ für die Lehre

Dieser Trend ist unter anderem auf umfangreiche Aktivitäten der Wirtschaftskammer Niederösterreich zurückzuführen, erläutert Alexandra Höfer, Direktor-Stellvertreterin der Wirtschaftskammer Niederösterreich: „Als WKNÖ setzen wir bereits zahlreiche Berufsorientierungsmaßnahmen, um die Attraktivität der Lehre laufend zu steigern. Schon in der Volksschule setzen wir Schwerpunkte zur Berufsorientierung, zum Beispiel mit dem Theaterstück ,Die Berufefee‘, die die Kinder in die Berufswelt führt“, erklärt Höfer. Da man wisse, dass Eltern und Berufsorientierungslehrende einen wesentlichen Einfluss auf die Berufsausbildung der Kinder haben, sind diese eine weitere wichtige Zielgruppe. „Eltern erreichen wir gezielt mit einer eigenen Webinarreihe oder unserer neuen App ,BO to GO‘, das in Kooperation mit der Arbeiterkammer Niederösterreich entstand. Ein eigener Hochschullehrgang mit Master-Abschluss in der Berufsorientierung steht Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung. Diesen bieten wir in Kooperation mit der Arbeiterkammer Niederösterreich und der Pädagogischen Hochschule an“, erklärt die stellvertretende Wirtschaftskammer-Direktorin. Ergänzt werden die Maßnahmen unter anderem durch den Talente Check, damit Jugendliche im Rahmen eines fachlich qualitativen Verfahrens mehr über ihre Talente erfahren. Auch Betriebe können die besonderen Fähigkeiten ihrer angehenden Lehrlinge dabei testen lassen. Zusätzlich werden von den WKNÖ Bezirksstellen regionale Berufsinformationsmessen für Betriebe, Eltern und junge Menschen angeboten. Doch selbst nach der Lehre ist lebensbegleitendes Lernen immer wichtiger. Hierbei unterstütze das WIFI der Wirtschaftskammer NÖ mit über 4.000 Kursangeboten. „Auch neue Zielgruppen sprechen wir mit speziellen Angeboten an. So bewerben wir etwa das Modell Lehre nach Matura intensiv oder haben österreichweit einzigartig das Modell Lehre und Studium im Bereich der Elektrotechnik initiiert,“ erklärt Höfer.

„Viel wurde schon getan, um das Image der Lehre in den letzten Jahren weiter zu verbessern. Dennoch gibt es wie überall im Leben noch Luft nach oben, um künftig noch mehr junge Menschen davon zu überzeugen, dass ihnen mit der Lehre eine Vielzahl an Chancen und Möglichkeiten offenstehen. Daran werden wir auch in Zukunft weiterarbeiten“, betonen Ecker und Höfer.