Salzburger Wirtschaft vom 10. Jänner 2020 / Folge_1

· Service · 31 Nr. 1 · 10. 1. 2020 Salzburger Wirtschaft Meissl: Empathische Nahtstellen beflügeln Innovation Als durch und durch moderner Betrieb steht die J. Meissl GmbH in Pfarrwerfen da. Hermine Meissl führt seit 2011 das Familienunter- nehmen mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit viel Gespür und emotionaler Intelligenz ver- steht sie es, den Betrieb – von Produktion bis hin zu Forschung – mit 50% Exportquote am Weltmarkt erfolgreich zu posi- tionieren. Hergestellt werden Großschirme, Schirmbars und Windschutzlösungen, zum Teil in Sonderanfertigung. Viel Haus- gemachtes gibt es bei Meissl und eine bestechende Unternehmens- kultur. Work-Vision-Experte Chris Holzer hat Hermine Meissl im Pongau besucht. Wie ist dieses technisch ausgereifte und vielfältige Unternehmen entstanden? Mein Vater hat das Unternehmen 1976 gegründet. Sein Name steht für Qualität und Stabili- tät. In dieser Tradition arbeiten wir auch heute. Ein großer Vor- teil ist, vieles unter einem Dach zu haben. Wir müssen sehr viel – gemeinsam mit dem Kunden – tüfteln, planen und entwickeln. Der Nutzen des Kunden stellt unsere Innovationen dar. Die Vereinigung mehrerer Sparten unter einem Dach ermöglicht uns rasches Ausprobieren und hoch- wertige Qualitätsentwicklung. Wir exportieren unsere Produkte bis nach Japan, oft an die höchste Bergspitze hinauf. Da müssen die Lösungen vor Ort perfekt funktio- nieren. Viele Abteilungen arbeiten bei Ihnen Hand in Hand? Wir haben Schlosser, Tischler, Näherinnen, Techniker, Montage, Verkauf, Marketing, Office. Das Ineinandergreifen ist eine große Herausforderung. Wir haben uns gefragt: Wer sind wir überhaupt? Was macht uns einzigartig? Wir arbeiten seit 2011 mit Coaching und Teambuilding. Wir konnten diese Organisationsentwicklung nachhaltig etablieren. Wir haben viele langjährige Mitarbeiter, die über die Reflexionsarbeit eine Veränderung an sich feststellen und das auch mögen. Ich bin sehr stolz auf alle. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Coaching in die Unternehmensstrategie einzuführen? Wenn man sich versteht, wenn man sich in den anderen hinein- versetzt, funktionieren die Naht- stellen besser. Wenn die Che- mie passt, ist der Output für das Produkt verbessert. Ich habe selbst eine Coachingausbildung gemacht, das hat meinen Zugang zu diesem Thema geöffnet. Empa- thische Komponenten kommen mit technischen Fragestellungen auf Augenhöhe. Das war anfangs ganz neu, jetzt sind wir es gewohnt. Der Trend geht heute hin zum häufigeren Jobwechsel. Ich glaube, dass Menschen nach Stabilität und Wohlfühlen stre- ben. Gemeinschaft fördert das Wohlfühlen am Arbeitsplatz. Auch die Sache soll nicht ver- loren gehen. Die Symbiose dar- aus macht es aus. Ich selbst mag diese Verwurzelung bei uns. Ich mag meine Mitarbeiter. Ich mag, wenn jemand bei meiner Türe hereinschaut. Spricht sich das herum: Bei Meissl arbeiten ist immer gut, immer herzlich? Ja, wir merken das, obwohl wir uns nicht gerne selbst beweih- räuchern. Es freut uns, dass wir Bewerbungen auch von außer- halb unserer Region erhalten. Wir wollen, dass sich die Mit- arbeiter im gesamten Unter- nehmen bewegen. Ich selbst gehe sehr gerne in die Produktion, ich mag den Geruch dort. Ich genieße die unterschiedlichen Hallen. Jede hat eine eigene Energie. Meine Buchhalterin holt sich ihren Kaffee zum Beispiel in der Produktion. Das fördert den Austausch, dabei wird viel Fach- liches besprochen, man kennt sich. Wir haben Mitarbeiter, die in der Schlosserei gelernt haben und jetzt im Vertrieb und in der Technik tätig sind. Umfassendes Gesamtbetriebswissen kommt beim Kunden gut an. Führen Sie spezielle Führungsstrategien darauf zurück, dass Sie als Frau die Geschäfte leiten? Ich glaube, dass Frauen anders führen. Ich bin seit 1989 im Unternehmen, seit 1992 in der Geschäftsführung. Seit 2011 führe ich das Unternehmen alleine als Eigentümerin und Geschäftsführerin. Im letzten Jahr haben wir Verstärkung durch einen zusätzlichen technischen Geschäftsführer erhalten. Ich hatte andere Maßstäbe wie mein Vater. Ich komme aus dem kauf- männischen Bereich, er war Tech- niker. Ich habe das Selbstver- trauen entwickeln müssen, dass ich auch mit meiner Art Erfolge erzielen kann. Früher hat jeder Vorgaben bekommen, ich setze intensiv auf Eigenverantwortung. Früher war der Betrieb kleiner, mit steigender Mitarbeiterzahl habe ich meine Mitarbeiter mehr in die Verantwortung geholt. Zu unserem Standard gehören nun schon seit einigen Jahren ein Organigramm, ein Leitbild und unsere Rollenbeschreibungen zur besseren Orientierung. Auch die nächste Generation in der Firmenleitung habe ich schon im Blick. Auch das braucht Zeit und Gespür. Sie legen einen Schwer- punkt auf Forschung? Nachdem mein Vater in Pension gegangen ist, habe ich die Ent- wicklung weitgehend aus dem Alltagsgeschäft auszulagern ver- sucht. 2013 wurde die Meissl Forschungs- und Entwicklungs GmbH gegründet. Ein Netzwerk aus Anwendern, Produktionsmit- arbeitern, Designern, Technikern und projektbezogen auch mit der Fachhochschule Urstein ist entstanden. Neue Testfelder ent- stehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Lehrlingsaus- bildung? Für uns ist das die Basis im Recruiting. Für junge Menschen ist das Digitale attraktiv. Wir haben auch wesentlich mehr Bewerbungen für technische Zeichner als für Metalltechniker. Wir können in unserem Betrieb auf unsere speziellen Bedürfnisse in drei Lehrberufen ausbilden: technischer Zeichner, Metall- techniker und Mechatroniker. Es ist wunderbar zu sehen, wie einige Nachwuchshoffnungen sich entwickeln und wie die jungen Menschen auch lernen, unsere Produkte zum Beispiel in Frankreich oder der Schweiz zu montieren. WorkVision Neue Ansätze für modernes Arbeiten im Bundesland Salzburg Interview, Folge 25 Hermine Meissl leitet das Familien- unternehmen J. Meissl GmbH in Pfarrwerfen. Foto: Schneider

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