Pflichtverletzungen durch freigestellten Betriebsratsvorsitzenden - Kündigungsgrund?
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Das OLG Wien hat als Berufungsgericht in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei auf Zustimmung zur Entlassung wegen Untreue im Dienst, in eventu zur Kündigung des Beklagten wegen beharrlicher Pflichtverletzung, das erstinstanzliche Urteil vollinhaltlich bestätigt und zu Recht erkannt:
Gemäß § 121 Z 3 ArbVG (Arbeitsverfassungsgesetz) darf das Gericht einer Kündigung unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des 120 ArbVG (Kündigungs- und Entlassungsschutz) nur zustimmen, wenn das Betriebsratsmitglied die ihm auf Grund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann. Auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder besteht weiterhin die arbeitsvertragliche Treuepflicht, zu der u. a. die Pflicht zur Meldung von Urlauben zählt.
So legt das OLG Wien seiner Entscheidung vom 25.1.2024 zu 10 Ra 69/23z nachstehende Feststellungen zu Grunde:
- Tritt ein freigestellter Betriebsrats(BR)-Vorsitzender einseitig seinen Urlaub an, liegt eine Pflichtverletzung vor.
- Wurde allerdings die (bisherige) Vorgangsweise des freigestellten BR-Vorsitzenden, den Urlaub erst immer am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub im System einzugeben, in der Vergangenheit immer akzeptiert, und bemerkt der BR-Vorsitzende die im konkreten Fall erstmals erfolgte Ablehnung - vor seinem Urlaubsantritt - tatsächlich nicht, musste ihm nicht klar sein, dass sein Urlaub keinesfalls genehmigt wird.
- Kommt es schließlich auch zu keiner Abmahnung durch den Arbeitgeber, kann von einer Beharrlichkeit der Pflichtverletzung nicht ausgegangen werden, weshalb eine Zustimmung zur Kündigung des BR-Vorsitzenden nicht zu erteilen ist.
OLG Wien 25. 1. 2024, 10 Ra 69/23z - Fehlende Beharrlichkeit der Pflichtverletzung Für das Vorliegen des vom Kläger herangezogenen Kündigungsgrundes des § 121 Z 3 ArbVG einer beharrlichen Pflichtverletzung ist neben der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin grundsätzlich eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich.
Eine Beharrlichkeit der Pflichtverletzung des einseitigen Urlaubsverbrauchs durch den BR-Vorsitzenden iSd § 121 Z 3 ArbVG liegt hier aber nicht vor:
- permanent freigestellte BR-Mitglieder die Regelungen über den Verbrauch von Urlaub zur Anwendung, weshalb die Urlaubsfestsetzung einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf (§ 4 Abs 1 UrlG); diese kann ausdrücklich aber auch schlüssig erfolgen.
- Es steht im vorliegenden Fall aber fest, dass die (bisherige) Vorgangsweise des von seiner Arbeitsleistung freigestellten BR-Vorsitzenden, am letzten Arbeitstag den Urlaub im System einzugeben, bis dahin immer akzeptiert wurde.
- Die kurzfristige Urlaubsmeldung hatte in der Vergangenheit nie zu Problemen geführt. Die Ablehnung bemerkte der BR-Vorsitzende - vor seinem Urlaubsantritt - tatsächlich nicht, da er den Computer und das Diensthandy nach seiner Eingabe zu Mittag am 7. 7. 2022 abschaltete, wobei ihm für den 7. 7. 2022 bereits im Juni „Verletzung der Kernzeit“ genehmigt worden war. Dem BR-Vorsitzenden musste daher nicht klar sein, dass sein Urlaub keinesfalls genehmigt werde. Dies lässt sich dem festgestellten Sachverhalt auch nicht entnehmen.