Behebbare und unbehebbare Angebotsmängel
Vergaberecht
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Allgemeines
Grundsätzlich kann man zwischen
- behebbaren und
- unbehebbaren Angebotsmängeln
unterscheiden.
Ein Angebot gilt dann als unbehebbar, wenn
- ein Bieter aus dem späten Zeitpunkt der Mängelbehebung Vorteile ziehen kann und
- dadurch die Gleichbehandlung aller Bieter sowie
- der faire Wettbewerb nicht mehr gewährleistet ist.
Zur Frage, ob ein behebbarer oder unbehebbarer Angebotsmangel vorliegt, gibt es eine Reihe vergaberechtlicher Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG, ehemals Bundesvergabeamt/BVA) bzw. des Verwaltungsgerichtshofes:
Behebbarer – unbehebbarer Mangel
- BVA 16.06.1998: „Behebbar sind jene Mängel, die weder preis- noch leistungsändernd wirken.“
- BVA 19.02.2002: „…liegt jedenfalls dann ein unbehebbarer Mangel vor, wenn die nachträgliche Mängelbehebung den Wert der angebotenen Leistung beeinflussen würde.“
- Leitsatzentscheidung VwGH 25.02.2004, GZ: 2003/04/0186-9: „Mängel, die nach Angebotseröffnung materiell zu einer Änderung der Wettbewerbstellung der Bieter führen können, sind unbehebbar.“
„Ein Widerspruch zu den Ausschreibungsbedingungen ist ein unbehebbarer Mangel“
(Oppel, ZVB 2013/104 unter Zitierung von Judikatur).
- BVwG 8.11.2017: „Das Nicht-Ausfüllen von Bieterlücken stellt einen unbehebbaren Mangel dar, wenn dadurch die Wettbewerbsposition verbessert wird. Wird in einem Bieterlückenprotokoll seitens des Auftraggebers kein Leitprodukt angegeben, handelt es sich zweifelsohne um eine "echte" Bieterlücke. Der Bieter hat sodann zwingend ein Produkt zu benennen.“ Unbehebbarer Mangel.
- BVA 8.8.2012: „Es handelt sich um einen unbehebbaren Mangel, wenn einem Angebot das "Angebotsschreiben", in dem der Bieter Angaben darüber zu machen hat, ob er eine Verlängerung der Mindestgewährleistungsfrist anbietet sowie Zuschläge für Regieleistungen anzubieten hat, nicht beigelegt ist“
Verspätet eingelangte Angebote
- § 133 Abs. 2 letzter Satz lautet: „Nach Ablauf der Angebotsfrist eingelangte Angebote sind nicht zu öffnen und als verspätet eingelangt zu kennzeichnen."
Nicht ausschreibungskonform unterfertigtes Angebot
- § 127 Abs. 1 Z 9 lautet: „Jedes Angebot muss insbesondere enthalten: bei Angeboten in Papierform Datum und rechtsgültige Unterfertigung des Bieters“
- VKS Wien: „Das dreimalige Fehlen einer Unterschrift von insgesamt zehn geforderten Stellen stellt einen behebbaren Mangel dar.“
BVA 26.07.2007:
- Ein Bieter hat zwar das Angebotsschreiben nicht unterschrieben, wohl aber das Deckblatt sowie eine weitere Seite des Leistungsverzeichnisses, in dem der Bieter alle der Ausschreibung beiliegenden od. zugrunde liegenden Unterlagen anerkennt.
- „Das Fehlen der rechtsgültigen Unterfertigung an der vom AG hiefür vorgesehenen, jedoch vom Bieter ohnedies an anderer Stelle erfolgten Unterfertigung stellt einen behebbaren Mangel dar.“
Rechtsgültige – firmenmäßige Fertigung
- „Eine rechtsgültige Fertigung setzt voraus, dass der Bieter durch sein Angebot zivilrechtlich gebunden ist. Der Bieter muss zur Fertigung entweder generell od. nur für das gegenständliche Rechtsgeschäft nachweislich berechtigt (im Sinne von bevollmächtigt) sein.“
- „Firmenmäßige Fertigung“ bedeutet, dass das Angebot von all jenen Personen zu unterschreiben ist, deren Vertretungsbefugnis aus dem Firmenbuch ersichtlich ist (Geschäftsführer, Vorstand, Prokurist), d.h. die laut Firmenbuch dazu bevollmächtigt sind.
Nicht firmenmäßig gefertigtes Angebot
VwGH 15.12.2006:
- In den Unterlagen einer Ausschreibung war eine firmenmäßige Unterfertigung gefordert. Das Angebot eines Bieters war zwar rechtsgültig, aber nicht firmenmäßig unterfertigt.
- „Das BVergG fordert (nur) eine rechtsgültige Unterfertigung iSv zivilrechtlicher Bindung des Bieters an sein Angebot. Bei einer in der Ausschreibung geforderten firmenmäßigen Fertigung liegt es bei Rechtsgültigkeit des Angebotes daher nicht in der Hand des Bieters, seine Rechtsstellung durch Behebung od. Nichtbehebung des Mangels der firmenmäßigen Fertigung zu verändern.
- In einem solchen Fall ist in einem zwar nicht firmenmäßig gefertigten, aber rechtsverbindlichem Angebot ein verbesserungsfähiger Mangel zu sehen.“
Angebot ohne Vollmacht
VwGH 15.12.2006:
In den Unterlagen einer Ausschreibung war eine firmenmäßige Unterfertigung gefordert. Das Angebot eines Bieters war zwar rechtsgültig, aber nicht firmenmäßig unterfertigt.
Eine Vollmacht des Unterzeichneten lag dem Angebot nicht bei.
- „Die Vollmacht muss nicht bereits mit der Angebotslegung für den AG nach außen erkennbar abgegeben und solcherart offen gelegt sein. Es ist daher ausreichend, wenn die Vollmacht zum Ende der Angebotsfrist erteilt war.“
- Demnach stellt das Nichtbeilegen der Vollmacht einen behebbaren Mangel dar.
Fehlt jedoch die Vollmacht, so liegt ein unbehebbarer Mangel vor.
Fehlende Subunternehmerangabe
Allgemeines zur Subunternehmerbekanntgabe
Die Bieter müssen alle Teile, welche sie in „Sub“ oder in „Sub-Sub“ zu vergeben beabsichtigen, bekanntgeben. Ausnahme: Der Auftraggeber schränkt in der Ausschreibung diese Pflicht auf die wesentlichen Teile des Auftrages ein. (§ 98 Abs. 2 BVergG).
Nach Zuschlagserteilung ist jeder Wechsel oder Hinzuziehung eines nicht im Angebot genannten Subunternehmers schriftlich bekannt zu geben. Der Auftraggeber kann aus sachlichen Gründen den Subunternehmer ablehnen, wobei bei 3-wöchigem Stillschweigen eine Zustimmungsfiktion gilt (§ 363).
VwGH 29.05.2002:
- Wenn ein Bieter einen in Aussicht genommenen Subunternehmer bei der Angebotsabgabe nicht angegeben hat, liegt ein unvollständiges Angebot iSd § 141 Abs. 1 Z 7 vor.
Der Mangel ist als unbehebbar zu qualifizieren. - „Da der AG verpflichtet ist, die Eignung eines konkreten Subunternehmers im Hinblick auf einen konkreten Leistungsteil zu überprüfen, muss der Subunternehmer spätestens zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung bereits namentlich feststehen.“
Dies gilt allerdings nur für die „erforderlichen“ Subunternehmer, also jene, welche für den Eignungsnachweis herangezogen werden.
Nichtvorlage von K7, K3 Blättern
BVA 20.03.2003:
- „Die Nichtabgabe von Kalkulationsblättern ist jedenfalls als behebbarer Mangel zu qualifizieren und
- kann grundsätzlich auch nicht vom AG durch Festlegung in den Ausschreibungsbedingungen zu einem unbehebbaren Mangel umgedeutet werden.“
- Allerdings unterliegt eine Festlegung des AG in der Ausschreibung, wonach das Fehlen der Kalkulationsblätter zum sofortigen Ausscheiden des Bieters führt, der Präklusionswirkung,
- sodass eine derartige Festlegung von den Bewerbern innerhalb der dafür vorgesehenen Frist angefochten werden müsste.
- Tun sie das nicht, wird die Ausschreibung bestandfest.
Quelle: Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht
Stand: 01.01.2024