Gerade im Qualitätstourismus spielen kompetente und motivierte Arbeitskräfte eine besonders wichtige Rolle.
© Tirol Werbung/ Bauer Frank

Tourismusbranche: Massiver Wandel

Alois Rainer, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK Tirol, nimmt im Gespräch mit der Tiroler Wirtschaft zu den Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Branche Stellung.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 01.09.2023

Das Innsbrucker Beratungsunternehmen Business Beat stellt in seiner jüngsten Analyse die Frage, ob der Fachkräftemangel das gute Image Österreichs als Urlaubsziel gefährdet. Tut er das Ihrer Meinung nach?

Alois Rainer: Ein qualitativ hochwertiger Tourismus wofür Österreich, ganz besonders aber Tirol, national und international bekannt ist, ist ein mitarbeiterintensives Dienstleistungsprodukt. Betriebe kommen teils tatsächlich in die prekäre Lage, dass nicht mehr das volle Dienstleistungspaket angeboten werden kann beziehungsweise dass Ruhe- und Schließtage erheblich zugenommen haben. Auch die Beschäftigung von ungelernten und sprachlich weniger versierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefährdet den hohen Qualitätsanspruch, welchen die Branche an sich selbst, besonders aber ein Gast an seinen Urlaubsaufenthalt, stellt. Insofern ist das natürlich eine nicht ungefährliche Entwicklung auch für den touristischen Standort.

Ist es quasi eine verflixte Situation, dass Berichte über Tourismusunternehmen oder Gastronomiebetriebe wegen der Öffnungszeiten und den reduzierten Services hauptsächlich negativ punziert sind? Wie kann dieser Teufelskreis in den Unternehmen aber auch in der Öffentlichkeit durchbrochen werden?

Die öffentliche Kommunikation konzentriert sich meist auf die Einschränkungen der Dienstleistung. Im Regelfall haben unsere Gäste aber mit keinen großen Einschränkungen zu rechnen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie auch den Gastgeber:innen verschaffen Schließtage aber beispielsweise auch Gelegenheit auf notwendige Erholungsphasen und damit wieder Leistungsfähigkeit und Motivation für eine gelebte Gastfreundschaft.

„Betrachten wir die demographische Entwicklung und den allgemeinen Arbeitskräftemangel über so ziemlich alle Branchen hinweg, stehen wir natürlich in einem intensiven Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier muss sich jeder Betrieb überlegen, wie er auf diesem Mitarbeitermarkt punkten und bestehen kann.“


 Die Auswirkungen des Arbeitskräfte-mangels bekommen Gäste wie Einheimische längst zu spüren – etwa, weil Lokale weniger lange oder weniger oft geöffnet haben als vor der Corona-Pandemie. Sie haben diese Entwicklung – im Angesicht der Zwänge – schon länger vorausgesagt. Ist Ihrer Meinung nach das Ende dieser Abwärtsspirale im Angebot erreicht oder befürchten Sie noch Schlimmeres?

Wir müssen jetzt die Kirche schon auch im Dorf lassen und das gastronomisch-touristische Angebot jetzt nicht mehr als kaum noch existent darstellen. Betrachten wir die demographische Entwicklung und den allgemeinen Arbeitskräftemangel über so ziemlich alle Branchen hinweg, stehen wir natürlich in einem intensiven Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier muss sich jeder Betrieb überlegen wie er auf diesem Mitarbeitermarkt punkten und bestehen kann. Betriebliche Maßnahmen dazu sind
vielfältig.

Es gibt genügend Betriebe, die keine oder kaum Personalprobleme haben und neben den Bedingungen der Hardware – also Gehälter, Urlaubsplanung, Flexibilität, etc. – spielt die Software eine große Rolle. Welchen Wandel beobachten Sie diesbezüglich in den Köpfen und im Handeln der Tiroler Tourismusunternehmer:innen?

Wie gerade angesprochen gibt es viele Handlungsmöglichkeiten in der Arbeitsplatzattraktivierung der Betriebe. Ich beobachte einen massiven Wandel der Branche in den letzten Jahren hin zu hochflexiblen Arbeitszeitmodellen, einem sehr guten Lohnniveau und der in der Vergangenheit – oft zu Recht – kritisierten Planbarkeit. Ich sehe aber auch einen starken Trend in Richtung vitaler Mitarbeiterverpflegung, herausragenden Mitarbeiterunterkünften, Angebote rund um berufliche und persönliche Aus- und Weiterbildung sowie Maßnahmen zur persönlichen Ausgewogenheit wie Fitness & Co.

Wie beschreiben Sie bezüglich der „großen Mitarbeiter:innen-Suche“ vieler heimischer Tourismusbetriebe den Status quo und wie „die potenziellen Lagen“ in der Wintersaison 2023/24?

Vor der Saison ist nach der Saison. Von ganz alleine kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nirgendwo. Aktives Recruiting und ein Hervorheben, was mich von meinen Mitbewerbern abhebt, ist Gebot der Stunde. Das effektivste Recruitinginstrument sind dabei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst welche Werbung für ihre Betriebe als Arbeitgeber im Freundes- und Bekanntenkreis machen. Deshalb gilt es Arbeitsplätze im Gesamtpaket attraktiv zu gestalten und sich so auf dem heiß umkämpften Mitarbeitermarkt zu positionieren.