WIFI-Küchenmeister und
© Jürgen Schmücking

Tiroler Spitzenköche mit Strahlkraft

Nicht weniger als 115 Hauben-Restaurants gibt es in Tirol. Dahinter stecken viel Leidenschaft, Ausdauer, Mut und Können. 

Lesedauer: 8 Minuten

Aktualisiert am 24.05.2023

Dass Tirol nach Wien die größte Haubendichte aufweist, ist wirklich sensationell und zeigt, wie stark das Kulinarik-Thema im Land und natürlich auch international wahrgenommen wird“, sagt Philipp Stohner. Die Begeisterung des zigfach ausgezeichneten Spitzenkochs, Ausbildungsleiters am WIFI Tirol und Chefkochtrainers hat viele Gründe. Richtig gute Gründe sind das. Die multipel geschmackvolle Tatsache, dass im jüngst präsentierten Guide Gault&Millau 115 Tiroler Restaurants mit Hauben ausgezeichnet wurden, ist einer.

Dass das Land so viele Aufsteiger aufweist, wie kein anderes und gleich zehn Lokale heuer mehr Punkte erringen konnten als im Vorjahr, ist ein zweiter. Dass Benjamin Parth (Stüva/Ischgl) mit 19 Punkten in den Fünf-Hauben-Olymp aufgestiegen ist, ist ein höchst glanzvoller und ein lautes „Chapeau!“ fordernder Grund für Stohners Begeisterung. Und er kann auch einen ganz persönlichen anführen: „s’kammerli ist das erste und einzige Drei-Hauben-Restaurant in Nauders. Das ist eine super Bestätigung, macht Spaß, motiviert natürlich und zeigt, dass man auf dem richtigen Weg ist.“

Gas geben

Philipp Stohner ist Coach, Mentor und Freund der s’kammerli-Küchenhelden Michael Ploner, Olli Mijic und Jürgen Mathoy, die die Küche im Hotel Central in Nauders rocken. Er hatte seine Hände auch bei der Menügestaltung im Spiel und sagt: „Die Hauben waren ein ganz großes Ziel. Wir wollten uns austoben, Gas geben und schauen, was mit dem Maximum drin ist.“

16,5 Punkte waren drin. Aus dem Stand schnappte sich s’kammerli gleich drei Hauben und mit „Wow, was für ein Start!“ beginnt denn auch die Lobeshymne im noch druckfrischen Restaurantführer, wo es weiter heißt: „Das Ergebnis des Teamworks: Ein sensationelles Fine-Dining-Menü, wie es in Tirol nicht viele gibt. Immer spielerisch zwischen Avantgarde und bodenständiger (französischer) Klassik tänzelnd. Moderne, alpine Küche in der sympathischen, historischen Stube. Im Menü jagt ein Highlight das andere – bis rauf zum Hirsch, der in zwei Gängen serviert wird: erst die Leber, dann der Rücken. Für eines der Desserts im Herbstmenü werden Heidelbeeren fermentiert und zwischen modernen, filigranen Gängen schieben die Jungs so einen Klassiker wie eine herrliche Ballotine aus der Küche. Wenn hier mit dem Tempo und der Leidenschaft weitergekocht wird, wird man vom s‘kammerli bald noch viel hören.“

Benjamin Parth gehört zu den absoluten Aushängeschildern der Tiroler Top-Gastronomie.
© Helge Kirchberger Photography Benjamin Parth gehört zu den absoluten Aushängeschildern der Tiroler Top-Gastronomie.

Zigfach weltmeisterlich

Tempo und Leidenschaft sind Worte, die erstklassigen Köchen wohlbekannt sind. Vor allem dann, wenn sie sich in Wettbewerbs-Arenen wagen, in denen die beiden Zutaten auf Finesse, Punktgenauigkeit und eine große Portion professioneller Stressresistenz treffen müssen. Das alles ist bei der jährlich stattfindenden Koch-Weltmeisterschaft, dem „Culinary World Cup“ in Luxemburg, gefragt, wo die besten Küchenteams der Welt um den Heiligen Gral der Köche rittern. Der Culinary World Cup zählt weltweit zu einem der drei größten Kochwettbewerbe und 2018 ist es dem von Philipp Stohner und Alexander Forbes junior trainierten Jugend-Nationalteam des Österreichischen Kochverbandes gelungen, ebendiesen Heiligen Gral nach Österreich zu holen. „Das ist eine unglaubliche Story“, sagt Stohner.

Dass er von diesem Erfolg in der Gegenwart spricht, passt recht gut, ist er doch vor Kurzem erst vom Culinary World Cup 2023 zurückgekehrt, wo die Leistung der österreichischen Nationalmannschaft noch immer Thema war. Stohner: „Ich habe Juroren aus aller Welt getroffen – aus Afrika, Asien, England, Europa natürlich, ja, der ganzen Welt. Viele konnten sich an diesen Erfolg 2018 zurückerinnern und haben mich auch auf das Buch angesprochen.“

Culinary World Cup

Das Buch, das er meint, ist ein Bildband, ein außergewöhnliches Kochbuch mit dem Titel „Culinary World Cup – The Book “, das von Weltmeister-
trainer Stohner selbst produziert, mit Fotos von Stephan Elsner illustriert, von Jaqueline Tanzer designt und vom Innsbrucker Studia Verlag verlegt wurde. Es ist eine fesselnde Dokumentation des WM-Sieges der Österreicher:innen vom ersten Training bis zum Sieg. Diese blätterbare Liebeserklärung an den Kochberuf hat nicht nur Leser:innen auf der ganzen Welt, sondern auch die Jury des „Gourmand World Cookbook Awards“ überzeugt, die das Tiroler Werk im Juni 2022 zum weltbesten Kochbuch kürten.

Gleich zwei Mal – in der Kategorie Design und der Kategorie „Professional Cookbook“ – ging dieser Oscar der Kochbuchszene an das Tiroler Werk. „Unfassbar“, meint Stohner, dessen Begeisterungstalent für Höchstleistungen im „schönsten Beruf der Welt“ nicht nur die angehenden Chefköch:innen am WIFI live erleben dürfen, sondern auch Fans prickelnd bewegter und bewegender Bilder. Spannend wie ein Thriller wurde der Gewinn des Heiligen Grals nämlich auch als Kinofilm inszeniert. Ende 2019 feierte „Culinary World Cup“ im Innsbrucker Metropolkino Premiere und es war ein Corona geschuldetes Pech, dass die Kinos bald danach ihre Pforten schließen mussten. „Noch vor Weihnachten kann der Film aber – in Deutsch und Englisch – auf Amazon Prime angeschaut werden“, so Stohner.


„Ein großartiger Qualitätsbeweis“

Mario Gerber, Wirtschaftslandesrat „Ein großartiger Qualitätsbeweis“
Wirtschaftslandesrat Mario Gerber weiß, wie der Standort von der preisgekrönten Küche profitiert. Damitdiese Strahlkraft noch internationaler wird, setzt er sich dafür ein, den Guide Michelin und seine Sterne zurückzuholen.
Im Rahmen des Gault&Millau Guides 2023 wurden 115 Tiroler Restaurants mit Hauben ausgezeichnet. Was bedeutet dieser Haubensegen für das Tourismusland bzw. den kulinarischen Wirtschaftsstandort Tirol und welche Strahlkraft darf damit verbunden werden?


Das ist ein großartiger Beweis für die Qualität und Professionalität unserer heimischen Gastronomiebetriebe. Dass Tirol heuer zudem so viele Aufsteiger wie kein anderes Bundesland aufweist, unterstreicht, dass die Tiroler Gastronominnen und Gastronomen viel Wert auf Frische und Regionalität der verwendeten Produkte, auf Professionalität bei der Zubereitung und nicht zuletzt auf hochwertige Qualität legen. Durch die Prämierungen genießen nicht nur die Tiroler Restaurants ein international hervorragendes Renommee, sondern auch der Tourismus- und Wirtschaftsstandort Tirol profitiert gewissermaßen von den Auszeichnungen und wird dadurch weiter gestärkt.

Seit einiger Zeit gibt es starke Bemühungen, den Guide Michelin nach Österreich „zurückzubringen“. Welche Rolle kann das Land Tirol dabei spielen? Steht der Guide Michelin auf Ihrer Agenda?

Neben dem Gault&Millau ist der Guide Michelin eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Restaurants und Hotels. Ich bedauere sehr, dass sich dieser, vor allem für internationale Feinschmeckerinnen und Feinschmecker relevante Guide, aus Österreich zurückgezogen hat. Als zuständiger Landesrat werde ich mich dafür einsetzten, den Guide Michelin zurückzuholen, denn ich bin mir sicher, dass sich viele hervorragende Tiroler Betriebe darin wiederfinden würden.


Höchste Zeit für Sterne

Es lohnt sich. Starkoch Johannes Lafer lief es angesichts der verrückt anmutenden, im Film festgehaltenen Hochleistungen im Rahmen der Weltmeisterschaft „kalt den Rücken runter“ und sein Kollege Roland Trettl machte in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass es sich um „Hochleistungssport gepaart mit Uhrhandwerk“ handle.
Das ist nicht nur in Wettbewerbssituationen so. „Ja, es ist Hochleistungssport, absolut“, bestätigt Alfons Parth, Vater des Tiroler Küchen-Rockstars Benjamin Parth, und hält fest: „Wer auf der Piste gewinnt, ist für immer Olympiasieger.
Benjamin muss jeden Tag, an dem er offen hat, seine Leistung bringen.“


„Der Guide Michelin würden auch neue internationale Gäste ins Land bringen.“

Die Leistungen, die der 34-jährige Benjamin Parth seit Jahren schon bringt und die dazu führten, dass über ihn – fast so früh wie bei Mozart – von einem „Wunderkind“ gesprochen wurde, sind sensationell. All die Auszeichnungen aufzuzählen, mit denen sein Talent bereits anerkannt wurde, ist gar nicht so leicht. Wer daran interessiert ist, muss sich nur auf die Homepage des Gourmet-Restaurant Stüva, dem kulinarischen Mittelpunkt des familiengeführten Hotels Yscla in Ischgl begeben – und darf staunen. Über die 19 Punkte selbstverständlich, mit denen sich der Guide Gault&Millau 2023 vor der hohen Küchenkunst Parths verneigte, aber auch darüber, dass Benjamin Parth’s Stüva seit 2020 zu den „Les Grandes Tables du Monde“ zählt, einer richtig exklusiven weltweiten, nur 178 Restaurants zählenden Vereinigung.

Die Liste ist die Haute Couture der Haute Cuisine und dass Parth im jüngst erst aktualisierten Ranking auf Platz 58 gereiht wird, ist ein Hinweis auf seinen extraordinären Gaumen-Ehrgeiz. Für Gourmets, die es sich leisten können, ist diese Liste wie ein Routenplaner auf fünf Kontinenten und in 22 Ländern. „Das spüren wir“, bestätigt Alfons Parth die international Gäste lockende Wirkung der elitären Liste.

Eine Wirkung, die für Benjamin Parth, all die anderen Tiroler Küchenheld:innen und selbstverständlich das Kulinarikland Tirol selbst durch die berühmten Restaurant-Sterne verstärkt werden würde. Die Sterne werden vom Guide Michelin vergeben, der sich im Zuge der Finanzkrise 2009 aus Österreich zurückgezogen hat. Das ist der Grund, warum die herausragenden und mit Hauben anerkannten Tiroler Restaurants, nicht an diesem kulinarischen Firmament mitschimmern. „Der Gault&Millau ist sehr gut in Europa etabliert, aber international ist das der Michelin“, stellt Alfons Parth fest.
Den Guide Michelin nach Österreich zurückzuholen ist eine Mission, der sich neben dem Ischgler Tourismus- und Genussprofi, auch weitere namhafte Kenner der Szene verschrieben haben. Doch den Guide zu produzieren ist nicht billig. Für auf ihre Küchen richtig stolze Länder, wie Italien, Frankreich oder Spanien ist es eine Selbstverständlichkeit, die notwendige Grundfinanzierung zu garantieren.

Kulinarische Strahlkräfte

In Österreich gibt es in Punkto Anerkennung der kulinarischen Strahlkräfte noch Luft nach oben. Rund eine Million Euro müssten investiert werden, doch die Rückkoppelung der Sterne auf die internationalen Buchungslagen ist so klar wie direkt. „Es gibt schon seit längerem Gespräche. Es ist auch sehr wichtig, dass Österreich hier tätig wird. Der Guide Michelin hat einen sehr starken Effekt“, weiß Thomas Geiger, Geschäftsführer der Sparte Tourismus der WK Tirol, und ergänzt: „Es gibt verschiedenste Küchenstile in Tirol und jede Küche hat ihre Nachfrage. Wir haben auch – wie der aktuelle Gault&Millau zeigt – genügend Köche, die auf Sterne-Niveau kochen. Denen muss die Chance geboten werden, sich ein internationales Niveau zu erarbeiten.“

Das sieht auch der Tiroler Wirtschafts- und Tourismuslandesrat Mario Gerber so (lesen Sie dazu das Interview „Ein großartiger Qualitätsbeweis“) und Kochweltmeister Philipp Stohner sagt: „Der Guide Michelin wäre ein weiteres wichtiges Zeichen, um die Position der Kulinarik im Land zu stärken und internationale Gäste ins Land zu bringen. Ja, der Guide Michelin wäre für Tirol ein super Kick.“