Dachdecker im hölzernen Dachstuhl
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Wohnbau droht Stillstand: Dringender Appell zum Gegensteuern

Aufträge stark gesunken - WKÖ-Gewerbe & Handwerk und Bauwirtschaft fordern attraktivere Wohnbauförderung, gelockerte Kreditvergabe und neuen Handwerkerbonus.

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Aktualisiert am 30.08.2023

Aus Österreichs Gewerbe und Handwerk kommen alarmierende Konjunktursignale: Alle Branchen verzeichneten zu Jahresbeginn 2023 ein reales (preisbereinigtes) Minus. „Die eher düsteren Prognosen für das erste Quartal haben sich leider bewahrheitet“, stellte Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria bei der Präsentation der vierteljährlichen Konjunkturbilanz am Mittwoch fest. 

Im Vergleich zum Vorjahresquartal sind demnach die Auftragseingänge bzw. Umsätze im ersten Jahresviertel 2023 nominell (wertmäßig) um -1,4 % gesunken. Das bedeutet real (mengenmäßig, ohne Preissteigerungen) sogar einen Rückgang um -9,2 %.

Besonders unter Druck sind die investitionsgüternahen Branchen, zu denen das Baugewerbe, die Bauneben- und baunahen Gewerbe zählen. Ihr durchschnittlicher Auftragsbestand ist im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um -11,6 % zurückgegangen.  

Besonders kräftig fiel das Auftragsminus für die Tischler und das Holzgestaltende Gewerbe (-20,4 %), Metalltechnik (-20,2 %), Hafner, Platten-, Fliesenleger und Keramiker (-15,9 %) sowie das Baugewerbe (-13,1 %) aus. Ein minimales Plus gab es im zweiten Quartal für die Elektrotechniker (+0,6 %).

Die Erwartungen für das kommende dritte Quartal sind laut Umfrage zweigeteilt: In den konsumnahen Branchen überwiegen per Saldo erstmals seit Ende 2021 knapp die zuversichtlichen Unternehmen (+3 Prozentpunkte), welche steigende Umsätze erwarten. Ganz anders in den investitionsgüternahen Branchen: Dort beträgt der Überhang der Unternehmen, die mit sinkenden Auftragseingängen rechnen, -15%-Punkte. Besonders negative Erwartungen haben der Holzbau, die Kunststoffverarbeiter, Dachdecker, Glaser und Spengler sowie das Baugewerbe.

Baukonjunktur bricht ein 

"Speziell der private Wohnungs- und Hausbau ist bereits stark eingebrochen", sagte Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Bau in der WKÖ. Als Gründe zählt er die stark gestiegenen Material- und Personalkosten, die erhöhten Kreditzinsen, den erschwerten Zugang zu Wohnbaufinanzierungen und die hohen Grundstückskosten auf. Wurden 2019 noch fast 70.000 Baugenehmigungen für Ein- oder Mehrfamilienhäuser erteilt, so sei diese Zahl im abgelaufenen Jahr 2022 bereits auf knapp 47.000 Einheiten gesunken. Für 2023 und 2024 werden überhaupt nur noch rund 41.000 Genehmigungen erwartet.

Und das sei wohl noch zu hoch gegriffen, denn: "Aufgrund der schwierigen Umstände ist damit zu rechnen, dass nicht einmal die Hälfte der bewilligten Objekte tatsächlich umgesetzt wird", so Jägersberger. Bei den geförderten Genossenschaftswohnungen würden heuer sogar bis zu 90 % der geplanten Projekte voraussichtlich auf Eis gelegt. Das wirkt sich massiv auf nachgelagerte Branchen im Handwerk und Gewerbe, aber auch auf Zulieferer wie die stein- und keramische, die Ziegel- oder die Betonindustrie aus. Schon seit Jahresbeginn sei die Beschäftigung in den Baubranchen rückläufig.

Jägersberger erwartet "mindestens zwei schwierige Jahre" und fordert deshalb ein rasches und wirksames Gegensteuern in drei Bereichen: 

  • Aufwertung der Wohnbauförderung
    Die Wohnbauförderung hat sehr an Attraktivität eingebüßt. 1990 machte das Fördervolumen noch 1,5 % der Wirtschaftsleistung aus, 2022 hingegen nur noch 0,4 %. Deshalb sollte die Wohnbauförderung wieder für die Schaffung oder Sanierung von Wohnraum zweckgewidmet und der Beitrag des Bundes erhöht werden. Angesichts der stark gestiegenen Kosten müssten die Baukostenobergrenzen dringend inflationsangepasst werden, damit die Förderung überhaupt in Anspruch genommen werden kann.

  • Förderung der Energiewende
    Die Bauwirtschaft unterstützt das Ziel im Regierungsprogramm, die Sanierungsrate in Richtung 3 % zu steigern. "Die Sanierung der Gebäudehülle ist der wichtigste Hebel zur Energieeffizienz im Wohnbereich", so Jägersberger. Mit einem transparenten und einheitlichen Förderregime lasse sich die Energiewende wirtschaftlich sinnvoll vorantreiben – so könnten etwa die Dekarbonisierungs-Instrumente von Bund und EU in einer eigenen Förderschiene gebündelt und unbürokratischer gestaltet werden.

  • Erleichterte Finanzierung
    Die Bauwirtschaft sowie das Gewerbe und Handwerk fordern die Aufhebung der sogenannten "KIM-Verordnung", die den Banken restriktive Hürden für die Kreditvergabe auferlegt und somit Baufinanzierungen verhindert. Das Instrument war in Zeiten von Nullzinsen von der Finanzmarktaufsicht (FMA) dazu gedacht, eine befürchtete Überhitzung des Immobilienmarktes zu verhindern – davon könne jetzt keine Rede mehr sein. Damit Wohnraum wieder leistbar und finanzierbar wird, sollte die Grunderwerbssteuer gesenkt werden - zudem wäre eine Eigenheim-Investitionsprämie für die erstmalige Wohnsitzgründung denkbar.

"Der dramatische Auftragseinbruch bereitet uns große Sorge: Der Baubereich macht rund 55 % im heimischen Handwerk und Gewerbe aus und hat eine wichtige Funktion für viele nachgelagerte Branchen. Wenn diese Lokomotive ausrollt, steht vieles still", warnte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die Bauwirtschaft brauche deshalb jetzt dringend "belebende Impulse". 

Im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Österreich wurde dazu vor einer Woche ein Antrag verabschiedet, welcher der Regierung dringend eine Neuauflage des Handwerkerbonus empfiehlt. Dieser hat sich schon 2014 bis 2017 bewährt. Zum Erreichen der Klimaziele wäre es sinnvoll, den Anwendungsbereich auf die Gebäudehüllen und Außenanlagen zu erweitern.

Der Handwerkerbonus neu sollte 20 % der Arbeitsleistungen und Fahrkosten bis zu einem Maximalförderbetrag von 5.000 Euro pro Wohneinheit und Jahr abdecken, mit 50 Mio. Euro jährlich dotiert und auf zumindest zwei Jahre angesetzt sein, schlug die Spartenobfrau vor: "Wann, wenn nicht jetzt?", so Scheichelbauer-Schuster abschließend.

(PWK217/HSP)